Politik und Zeitgeschichte AK

Wehrmachtsausstellung 2002

Wer die erste Ausstellung dieser Art 1997 gesehen hat, wird die zweite nicht als solche nicht wiedererkennen. An Stelle von erdrückenden Bildermassen, sind riesige Textmengen getreten; die Ausstellungsmacher scheinen der Angelegenheit die Schärfe nehmen zu wollen:

Während 1997, z. B. mit Stellwänden in Form Eiserner Kreuze, provoziert wurde und alles sehr reißerisch aufgemacht war, was zu einer großen öffentlichen Debatte über den Sinn und Zweck dieser Ausstellung führte, ist 2002 all dies einer betont objektiv- sachlichen Darstellung gewichen.

An Videoschirmen und in Einzelkabinen (siehe Bild 1) kann man ungestört seinen Wissensdurst befriedigen.

(Abb. 1)

Die Ausstellung lässt sich grob in drei Themengebiete gliedern:
I. Krieg und Recht
II. verübte Kriegsverbrechen
III. öffentliche Diskussion in der Nachkriegszeit

In der ersten Abteilung wird sehr umfangreich auf die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Krieges eingegangen (Haager Landkriegsabkommen, Genfer Konvention, etc.). Das gesamte Kriegsrecht wird in übersichtlicher Weise dargestellt und definiert so klar jede Form eines Kriegsverbrechens.

(Abb. 2)

Die zweite Abteilung stellt den größten Teil der Ausstellung dar und besteht aus mehreren Teilbereichen.

1.Völkermord

Dieser Abschnitt enthüllt erschütternde Wahrheiten über die Verstrickung der Wehrmacht in Angelegenheiten, gemeint ist die systematische Vernichtung menschlichen Lebens, die gerne der SS bzw. dem Sicherheitsdienst zugeschrieben werden. Als Beispiel sei die Erschießung von 34.000 Juden im Tal von Baby Jar bei Kiew genannt.

2. Repressalien

Hier werden die brutalen Übergriffe der Wehrmacht auf die Zivilbevölkerung dargelegt. Als Vergeltungsmaßnahme für Partisanenüberfälle oder Anschläge auf deutsche Soldaten wurden unschuldige Bürger ermordet (ab 1943 für jeden toten deutschen Soldaten 100, für jeden Verwundeten 50 Zivilisten).

3. Partisanenkrieg

1941/42 wuchs der Widerstand der sowjetischen Zivilbevölkerung erheblich: Lose Partisanen- Banden schlossen sich zu einer schlagkräftigen, gut durchorganisierten Armee zusammen und wurden so für die deutschen Besatzer zu einer echten Bedrohung. Um diesem neuen Feind den Nachschub an Truppen zu erschweren nahm die Wehrmacht öffentliche Exekutionen an willkürlich ausgesuchten, manchmal einer Widerstandsgruppe angehörenden Zivilisten vor. Der Vorwand, es könne sich um Partisanen handeln, war auch ein willkommenes Mittel die Erschießung von Tausenden anderen zu legitimieren.

4. Ernährungskrieg

Um "so viel Nahrungsmittel und Mineralöl für Deutschland zu gewinnen", wurden die besetzten Gebiete radikal geplündert. D.h. jede Form von Verwertbarem wurde enteignet und mitgenommen, was nicht nur Lebensmittel, sondern auch Infrastruktur einschloss. Es entstanden sog. "Kahlfraßzonen". Die Grausamkeit dieser Form des Krieges, die sich nahezu ausschließlich gegen die Zivilbevölkerung richtet, zeigen diese Fotos einer Frau, die während der Belagerung Leningrads in einem Abstand von einem, bzw. einem halben Jahr entstanden.

(Abb. 3)

5. Deportationen

Da der Mangel an Arbeitskräften im deutschen Reich ab dem Winter 1941/ 1942 immer weiter zunahm, wurde die Wehrmacht als Koordinator der Zwangsrekrutierungen von sog. "Fremdarbeitern" eingesetzt. Im Laufe der folgenden Jahre wurden schätzungsweise 2,8 Mio. Zivilisten aus den östlichen Gebieten nach Deutschland gebracht, wo diese unter katastrophalen Bedingungen am und über dem menschlichen Leistungslimit für die Kriegsindustrie arbeiten mussten.

6. Sowjetische Kriegsgefangene

Dieser Abschnitt widmet sich den Lebensumständen in den Kriegsgefangenenlagern, in denen 58,9% der sowjetischen Insassen ihr Leben verloren. Die Lebensmittelversorgung, beispielsweise, war so miserabel, dass diejenigen, die den "Todesmarsch" (bei kürzeren Distanzen, um 300 km) überlebt hatten, meistens nach wenigen Wochen starben.

7. Handlungsspielräume

Dieser letzte Teil des zweiten Ausstellungsabschnitts behandelt die Auslegbarkeit von Befehlen. Das Kriegsrecht sieht vor, dass wenn einem Soldaten ein Befehl gegeben wird, der gegen geltendes Recht verstößt, dieser nicht zwangsläufig ausgeführt werden muss. So ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Soldat wegen der Verweigerung eines Befehls zur Tötung von Zivilisten an Leib und Leben bestraft wurde.

Der Dritte und letzte Abschnitt der Ausstellung behandelt nur ein Themengebiet, die öffentliche Diskussion in der Nachkriegszeit von 1945 (Nürnberger Prozess) bis zur Gegenwart. In Video- und Textbeiträgen werden die unterschiedlichen Sichtweisen von Zeitzeugen, Politik und der jüngeren Generation auf eingängliche Art und Weise veranschaulicht. Dabei hervorzuheben ist das nahezu entwaffnende Schuldbekenntnis einiger ehemaliger Wehrmachtsangehöriger.

Diese Ausstellung will zum Nachdenken und zur Vergangenheitsbewältigung anregen. Die Kuratoren haben sowohl umfangreich, als auch exakt recherchiert und eine informative, trotz der großen Textmenge nie langatmige Mischung aus allem gefunden, die für Jedermann etwas bietet.


 

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